HITZBERGER

McDonald's für Weltverbesserer

Würmer. Nur schon der Gedanke daran macht uns krank. Sobald wir eine dieser weisslichen nackten Krevetten mit den schlängelnden Bewegungen erblicken, kriegen wir Herzklopfen und leichten Schwindel. Wir können nicht mal genau sagen, woran es liegt. Oder doch. Die glitschig glänzende Haut. Das fehlende Rückgrat. Der Gedanke, dass sie auf den Friedhöfen zu Tausenden menschliche Überreste zermalmen oder uns aus den Augen kriechen könnten.

Dass das Essen von Insekten und Würmern die Umwelt retten und den Welthunger stoppen könnte, wissen inzwischen alle. Dass die Welt mit der Miss Universe-Wahl alleine nicht gerettet ist, auch. Früher wollten wir uns für Greenpeace an die Zuggleise ketten und Walfischfänger töten. Hätten wir doch besser das gemacht. Stattdessen stehen wir jetzt an der Hitzberger Theke im Migros City und haben einen Mehlwurm-Burger bestellt. Schuld daran war ein Anflug von kulinarischer Abenteuerlust – und die heimliche Absicht, mit unserer Überwindung die Welt ein kleines Stück besser zu essen.

Vom Gutmenschentum haben wir uns soeben verabschiedet. Unser neugieriges Lächeln ist einem panischen Grinsen gewichen. Verkäufer Marc erklärt uns unbeeindruckt und gutgelaunt, die Würmer seien «komplett geschmacksneutral». Sein Chef, der mit 18 Gault-Millau-Punkten und 2 Michelin-Sternen behängte Koch Eduard Hitzberger, will beweisen, dass gesunder und nachhaltiger Fastfood funktioniert. Wir beäugen den Holzbrunnen vor der schwarzen Blumentapete und hoffen, dass das kulinarische Experiment besser funktioniert als das visuelle.

Während wir warten, mustern wir angestrengt die hübschen Joghurtbecher mit Chia-Samen im Kühlregal. Den Blick in die Küche meiden wir. Dann winkt uns Marc an die Theke und überreicht uns den Burger, ein warmes Häufchen in Papier eingewickelt. Er sei heiss und «gut gewürzt», er zwinkert, wir zucken. Als wir den Burger draussen an der Sihl auspacken, sieht alles ganz harmlos aus: In unserer Hand liegt Sesambrot, eine orange-rötliche Scheibe Fleischersatz, dekoriert mit Salat. Von weisser Wurmpaste keine Spur.

Beim ersten Biss schmecken wir Tomate; beim zweiten Peperoni und ein bisschen Chili. Beim dritten läuft uns die Cocktailsauce über die Finger. Wir denken an die Joghurtbecher und unsere Karma-Punkte und versuchen, so wenig wie möglich auf die orange-rötliche Scheibe zu schauen. Als der Spuk fünf Minuten später vorbei ist, sind wir erst erleichtert, dann enttäuscht. Wir erwarteten gummige Paste, ein krabbeliges Gefühl im Magen oder wenigstens ein Augenzucken. Stattdessen schmeckt das Teil hier körnig und irgendwie unaufregend – die Insektenversion von Cornatur. Da überwindet man den inneren Schweinehund um die Welt zu retten, und wozu das Ganze? Wir haben nicht mal Durchfall gekriegt.

HITZBERGER, Löwenstrasse 35, 8001 Zürich
Mo bis Sa 9:00 – 20:00

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