CASA DEL MAS

Goldene Äpfel

Orangen waren die Früchte der Götter, die goldenen Äpfel der Hesperiden, die elfte Arbeit Herakles’, das Versprechen nach ewiger Jugend und Unsterblichkeit. Sie wurden zum Statussymbol der Herrscher und Könige, der Aristokraten, dann der reichen Bourgeoisie. Im 19. Jahrhundert erreichten sie das Stockwerk der Mittelklasse, seit 50 Jahren hat jeder morgens ein Glas Vitamin C auf dem Tisch.

Der Glitzer und Glamour ist nach 2’500 Jahren rausgepresst – in der Karibik werden mit halbierten Orangen Böden geputzt. Und so hat sich die Statusfrage auf ein anderes Level verlagert: Entscheidend ist nicht mehr, ob du Orangen isst oder nicht, sondern welche Orangen du isst. Der Zürcher Insider-Lieferant ist eine unscheinbare Garage am Zürichsee, gegenüber von Tina Turners Villa.

Casa del Mas begann als Hobby eines Küsnachter Textilunternehmers und wandelte sich über vier Generationen zu einem Zitrusfrucht-Grossisten, vor dessen Garage sich SUVs bis auf die Seestrasse stauen. Die 500-Tonnen Orangen-Operation ist exklusiv. Nicht auf die prollige, neureiche Art – die teuren Autos vor dem grünen Garagentor sind mehrheitlich Goldküsten-Selbstselektion, die Stadtzürcher holen ihre Kisten am Stützpunkt im Les Halles ab. Es ist die diskrete «Ich weiss Qualität zu schätzen»-Kundschaft, die sich nicht mit den tiefgekühlten Zitrusfrüchten der Supermärkte abfertigen will, weil sie diese bloss an kalte, durchnässte Teebeutel erinnern. Die Früchte hier hingegen werden reif gepflückt und reisen innerhalb von vier Tagen von Valencia an den Zürichsee.

Wer Casa del Mas kennt, erfuhr es typischerweise von seinen Eltern; der Tipp wird wie ein Familienerbstück von Generation zu Generation weitergereicht. Gegen aussen wird kaum geteilt – es braucht nur ein schlechtes Erntejahr, und jeder fürchtet, zu kurz zu kommen. Der Tipp kommt in der Regel auch nicht einfach als ein Einzeiler, sondern in Form einer Kurzabhandlung der Zitrus-Botanik. Ignoranten haben die Früchte nicht verdient.

Deshalb: Casa del Mas verkauft zwar am meisten Früchte in der Vorweihnachtszeit, aber die besseren, süsseren Exemplare kommen erst ab Januar. Orangen können von aussen kaum beurteilt werden: Geschmack und Aroma variieren nach Sorte, Saison, Ort, ihrer Position am Baum. Und: Die Farbe der Schale hat nichts mit Reife zu tun, sondern ist klimatisch bedingt. Je tiefer die Temperatur über Nacht, desto oranger wird die Schale – in Thailand sind deshalb alle Orangen grün.

Die einzigen Momente, in denen Casa del Mas auch unter Freunden erwähnt wird, sind jene, in denen du ihnen eine Orange offerierst und sie fragen: Ist die von Casa del Mas? Die Frage ist rhetorisch, sie wissen es bereits nach dem ersten süss-saftigen Schnitz. Aber sie geben dir als Miteingeweihte die Chance, mit der Selbstgefälligkeit eines Kenners auf die Holzkiste in der Ecke zu zeigen und zu sagen: Yup, was Anderes esse ich nicht.

CASA DEL MAS, Seestrasse 175, 8700 Küsnacht
Mo bis Fr 8 – 18; Sa 8 – 13
Zusätzliches Depot im Les Halles

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