CHARLES AELLEN

König Charles

Bis zur Pubertät gibt es als Junge nur zwei Gründe, um sich die Haare zu schneiden. Es ist Sommer. Oder Mutti droht mit Taschengeld-Verbot. Spätestens mit den ersten Bartstoppeln gehört ein anständiger Haarschnitt aber zum guten Ton. Dennoch halten es die Männer mit dem Friseurbesuch wie mit der Dentalhygiene: Ernst nehmen es nur jene, die es nicht unbedingt nötig hätten.

Das gilt natürlich nur für die anderen. Die meisten Männer in unserem Freundeskreis gehen öfter zum Coiffeur, als sie ihre Zahnbürste wechseln. Generell kommen sie dabei um einiges günstiger weg als die Frauen. Wir kennen nur einen, dessen Preistabelle zumindest am unteren Ende annähernd für Geschlechter-Gerechtigkeit sorgt: Charles Aellen. Damenschnitte beginnen bei 170 Franken, Herrenschnitte bei 130.

Charles Aellen ist der Confidant der Reichen und Schönen; er gehört zu der Kategorie Coiffeur, die sich Hairstylist nennt und seiner Klientel das eigene Meersalz-Shampoo verkauft. Als wir zum ersten Mal in Charles' Salon stehen, begleiten wir einen Freund mit notorisch hohen Frisuransprüchen. Er ist skeptisch; Aellen wäre nicht der erste Zürcher Coiffeur, der an seinen Locken scheitert. Doch dieser ist sich anspruchsvolles Klientel gewohnt. Adriana Lima, Paris Hilton, Charlène von Monaco, Roger Federer, Ronja Furrer – sie alle gehören in die Kundenkartei.

Der Salon kennt nur eine Farbe: Von den Stukkaturen an der Decke über die Stühle bis zu den Lampen, alles ist schneeweiss. Sogar Aellens Shampoo ist in weisse Flaschen abgefüllt. Die einzigen Ausnahmen sind die meterhohen Blumensträusse in den überdimensionalen Fischgläsern. Die Vogue und die Gentlewoman liegen auf. Summende Haarföhne füllen den Raum mit heisser Luft, es riecht nach teuren Haarpflegeprodukten.

Wir werden vom Meister persönlich begrüsst, danach übernimmt eine Kleinarmee von Helfern in weissen Hemden und schwarzen Hosen. Es sind bis auf wenige Ausnahmen alles junge Männer. Neben uns sitzen Damen im mittleren Alter. Wer keine naturblonden Haare hat, ist hier um sie blond zu färben.

Über die nächste Stunde hat unser Freund sechs verschiedene Hände in den Haaren, ein paar neckische Blicke durch den Spiegel eingefangen und ein bisschen Jetset-Tratsch erhascht. Er strahlt den Coiffeur durch den Spiegel an, als seine gekürzten, vollen Locken fertig gebüschelt sind. Er werde wiederkommen, meint er. Wenn es um die Acquise von Jungkunden geht, ist Charles Aellen so gerissen wie jede Grossbank: Weil unser Begleiter jünger als 25 Jahre ist, zahlt er nur die Hälfte des Preises – bis er 26 ist, ist er längst angefixt.

CHARLES AELLEN COMPANY, Tödistrasse 1, 8002 Zürich
Di 12 – 21, Mi 9 – 18, Do 12 – 21, Fr 9 – 18, Sa 9:30 – 16:30

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