LANGLAUFEN

Warmgelaufen

Der Kampf um die Swag-Vorherrschaft im Wintersport ist ein Duell zwischen Snowboardern und Skifahrern. Die Langläufer schaffen es nicht mal in die Qualifikationsrunde. Es zeigt sich schon an den Aushängeschildern der Disziplinen: Iouri Podladtchikov gilt als Kamikaze mit Vogue-Ambitionen, Lara Gut als Tessiner Dickschädel mit Leinwand-Erfahrung. Dario Cologna sieht stets aus, als hätte er gerade in Muttis Apfelkuchen gebissen und noch nie einen Streit angefangen.

Bis zu dieser Saison war Langlaufen in den Gesprächen zu den Winterferien nicht mehr als ein beiläufiges Husten. Doch wir kennen von Hottingen bis Höngg immer mehr Wintersportfanatiker, die es auf die Loipe zieht. Im Ochsner Sport werden die Vor- und Nachteile von Felleinlagen diskutiert, die 14'200 Plätze für den Engadiner waren dieses Jahr so schnell weg wie noch nie. Irgendwas muss dran sein. Wir nötigen unseren Freund Fabrizio, uns eine Probelektion zu geben. Kein Grund, von Amateuren zu lernen: Unser Instruktor ist Bündner Teamsprint-Meister.

Wir treffen ihn an einem Samstag auf der Lenzerheide. Fabrizio begrüsst uns in einem rot-hellblau gestreiften Trikot und überreicht uns Skier und Schuhe, die leichter und bequemer sind als ihre Pendants auf den Pisten. Unser Lehrer hält nichts von Trockenübungen und schickt uns direkt auf die Loipe. Es geht nur leicht abwärts, doch wir drehen die Füsse sofort panisch zum Stemmbogen. Wir schaffen es zwei Meter weit, bevor die Spitzen der Skis aufeinander liegen und wir, mit dem Rücken in der Kälte und dem Gesicht zum Himmel, im Schnee.

Fabrizio sagt, wir sollen das Gewicht abwechselnd so lange wie möglich auf einen Ski verlagern und uns mit den Beinen vorwärts stossen. Mit den Armen sollen wir Schwimmbewegungen machen, um das Gleichgewicht zu halten und ein Gefühl für die Skis zu kriegen. Er gleitet mit der fliessenden Eleganz eines Tänzers, wir staksen hinterher wie ein Storchenbaby mit Koordinationsstörungen. Es dauert eine gute Stunde, bis wir den Rhythmus halbwegs hinkriegen und zum ersten Mal die verschneiten Tannen um uns herum wahrnehmen. Wir sind fern von fortgeschritten, aber wir verstehen, wovon alle schwärmen: Langlaufen ist eine Mischung aus Schwimmen und Joggen, fordernd, aber entspannend, ein meditativer Ganzkörpereinsatz in der Natur.

Nach zwei Stunden fühlen sich unsere Beine an, als hätte einer mit unseren Muskelsträngen Gummitwist gespielt, unsere Oberarme sind fünf Tonnen schwer, wir sind erschöpft, aber glücklich. Fabrizio lässt sich zur Aussage hinreissen, wir seien ein Naturtalent. Wir strahlen und prahlen, so schwierig sei das nicht gewesen, morgen könnten wir grad wieder auf die Loipe. Die Ansage ziehen wir am nächsten Tag kleinlaut zurück, als wir uns schmerzerfüllt aus dem Bett rollen. Wir denken an Cologna und rufen Mutti an. Sie soll uns einen Apfelkuchen backen.

NÄCHSTGELEGENE LOIPE VON ZÜRICH: GIBSWIL
Geöffnet je nach Wetterlage, Tages-Pass ab 8 Franken

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