FLOHMARKT BÜRKLIPLATZ

First Rate Second Hand

Zuerst haben wir sie kaum gesehen, die lederne Handtasche, vorne auf dem Tisch. Es ist Samstagmorgen, wir sind am Bürkliplatz. Hinter dem Stand stehen drei blonde Schwestern mit ihrer blonden Mutter, alle mit einem Glas Champagner in der Hand. «Ist das…?» – «Eine Céline, ja. Pythonleder. Mami hat sie bei Trudie Götz gekauft.» Mami stösst dazu. «Ich kaufte die Tasche, aber kaum hatte ich sie, gefiel sie mir nicht mehr. Ein klassischer Fehlkauf – ihr kennt das.» Wir nicken. Der Preis? «2,000 Franken.»

Fehlkäufe kennen wir. Nur sind unsere weder aus Pythonleder, noch decken sie unsere Monatsmiete. Der Flohmarkt am Bürkliplatz ist das Abbild eines Garage Sales der Real Housewives of Beverly Hills, selbst für ein First World-Problem zu absurd. Hier wird die Goldküste ihre Garderobe los, wenn der begehbare Kleiderschrank überquillt: Saint Laurent, Prada, Hermès, Louis Vuitton – die Label-Dichte hinter der Nationalbank ist höher als im Backstage-Bereich der hiesigen Fashion Shows. Das grosse Rätsel ist, weshalb man mit solchen Kontoständen überhaupt am Flohmarkt verkauft. Auf den Stühlen sitzen Damen in Jackett und mit Perlohrringen, an der hintersten Ecke bei der Frauenbadi bietet eine Trois Pommes-Verkäuferin ihre Bijous an. Ein paar Stände weiter verkauft ein Senior mit Hornbrille und Manchesterjacke Picnic-Sets, Silberbesteck und Servierwagen aus der Mad Men-Ära. Ein älteres Paar in Panama-Hut und Louis Vuitton flaniert mit einem Champagnerkühler in der Hand an uns vorbei, eine Gruppe Asiaten bleibt am Stand mit der Céline-Tasche hängen.

Wenn der Bürkliplatz der zurechtgeliftete Flohmarkt der Stadt ist, dann ist der Kanzleiflohmarkt sein ungehobelter, verschwitzter Schwager. An beiden Märkten nehmen wir fast nie etwas nach Hause – nur aus einem anderen Grund. Am Bürkliplatz würden wir uns jede Woche etwas dazukaufen, wenn wir das Geld und den begehbaren Kleiderschrank dafür hätten. Das Kanzleiareal hingegen verlassen wir mit leeren Händen, weil wir das Meiste nicht mal gratis nehmen würden. Kaum ein Stück wechselt für mehr als zwei Franken den Besitzer; im Getümmel finden sich mit wenigen Ausnahmen nur ausgewaschene H&M-Kleider, Souvenirs aus Ägypten und DVDs aus den 2000ern. Wer nach 16 Uhr noch Ware am Stand hat, bringt sie zu Caritas. Am See hingegen wird alles eingepackt und in der kommenden Woche wieder ausgestellt.

Wir haben uns über die Jahre ein Flohmarkt-Mantra zurechtgelegt: Kauf nicht auf dem Platz, auf dem du verkaufst. Wenn wir alte Staubfänger mit neuen ersetzen, sollten wir uns steigern – und das geht nur noch am Kopf der Bahnhofstrasse. Was wir selber nicht mehr wollen, will nur noch der Kreis 4.

FLOHMARKT BÜRKLIPLATZ, Fraumünsterstrasse, 8001 Zürich
Mai bis Oktober, jeweils samstags 7 – 17 Uhr

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