HAUSER & WIRTH

The Art of the Deal

Manuela Wirth, die weibliche Hälfte des mächtigsten Galeristenpaars der Welt, hat noch nie ein Kunstwerk verkauft – sie weiss sie sollte es nicht sagen, aber sie mag auch Kunstmessen wie die dieswöchige Art Basel nicht. Das ist ein starkes Statement aus der Chefetage einer weltweit führenden Galerie mit dreistelligem Millionenumsatz. Und wahrscheinlich mit ein Grund, weshalb sie sich so gut mit ihren Künstler versteht. Diese verabscheuen das Verkaufen oft genauso wie sie.

Unser Kontostand ist weit davon entfernt, dass wir uns etwas von Paul McCarthy oder Pipilotti Rist ins Wohnzimmer liefern lassen könnten. Trotzdem gehen wir immer wieder an die Vernissagen von Hauser & Wirth. Nicht nur wegen der Kunst – keiner geht nur wegen der Kunst. Früher ging es vor allem um den Weisswein. Inzwischen sind wir weniger brachial, und parallel zu unserem steigenden Anspruchspegel erweiterte sich auch das Rahmenprogramm. Hauser & Wirth hat über die letzten Jahre die Ausstellungsräume in eine Bar umfunktioniert, Konzerte veranstaltet, und für Openings DJs und lokale Grössen wie den Palestine Grill engagiert. Bei unserem letzten Besuch wurde eigens für die Vernissage eine bunt verzierte Bar installiert, an welcher asymmetrisch frisierte Kunststudenten für Gingerbeer-Cocktails anstanden. Alle sind willkommen – würde sich Hauser & Wirth für Vernissagen nur auf Käufer konzentrieren, wären die Räume deutlich leerer.

Die Kunstwelt von heute hat viel vom alt-ehrfürchtigen, musealen Modell verloren. Wir haben uns sagen lassen, wir sollten Kunst eher wie Fashion sehen. Wie bei der Mode gilt auch in den Galerien: Tief drin geht es ums Verkaufen, aber niemand im Raum darf es direkt spüren. Die Galeristen brauchen die unglamouröse, ungewaschene Sexiness einer ZHdK-Party mit dem Cocktail-Level der Widder Bar, damit auch die ältere Generation auftaucht und das Scheckbuch aus dem Birkin zückt. Die Cocktails sind schnell organisiert, aber um an die Jungschar zu kommen, muss man mehr bieten. Hauser & Wirth übernimmt hier eine Hauptrolle.

Die Nachbarn ziehen bereits nach: Die Kunsthalle Zürich hofiert Junggönner und gibt ihren Keller der Jungkunst- und Besetzerszene für Veranstaltungen frei, LUMA Westbau ging mit schwarzescafe in die Verlängerung. Letztendlich gewinnen alle: Die Jungen sehen Kunst, die Alten sehen die Jungen. Und es werden Räume belebt, die ansonsten nur dafür verwendet werden, Kunstwerke und Personal vor dem Regen zu schützen.

HAUSER & WIRTH, Limmatstrasse 270, 8005 Zürich
Mo bis Fr 11 – 18, Sa 11 – 17

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