MODE SUISSE

Nada Prada

Wir waren noch nie an einer Fashion Show. Aber dank der halbjährlich wiederkehrenden Streams und Bildern von den Laufstegen dieser Welt hatten wir eine präzise Vorstellung davon, was uns erwarten würde: Eine tadellos gekleidete Front Row, asymmetrische Haarschnitte, Models mit Xylophon-Brust und allgemeine Verachtung gegenüber jedem, der bei Chicorée einkauft.

Alle sagten uns: Vergiss es, die Mode Suisse ist nicht so. Yannick Aellens Talentplattform kommt zwar am nächsten an die Schweizer Version einer Fashion Week heran, aber ohne Street Style, Superstars und Afterparty – mehr oder weniger all das, wofür unsereins überhaupt auftauchen würde. Unter Kennern gehört es zum guten Ton, den Anlass zu belächeln. Dennoch gehen sie jedes Jahr hin, um sich zu zeigen.

Die Show hat über die letzten 13 Ausgaben mit verschiedenen Formaten experimentiert. Im Vorfeld der diesmaligen Edition kursierte etwas Verwirrung und Panik, weil das gleiche Programm im Löwenbräu über vier Wiederholungen gezeigt werden würde. Neben uns an der Bar diskutieren zwei Influencer, ob es etwas über ihren Status aussagt, dass sie erst für den 19 Uhr-Lauf aufgeboten wurden. Ihre Kollegin war eine Stunde früher dran.

Wir nehmen uns einen Platz in der ersten Reihe, neben einem kleinen Regiment von Fotografen, die ihre Kameras wie Kanonen parallel auf den Laufsteg ausgerichtet haben. Die Sitzwahl ist frei; keiner ist wichtig genug, um seinen zugewiesenen Platz zu bekommen. Der Saal verstummt, aus der Box wird «After Work Studio» angekündigt. Musik, Licht, Models – go.

In den nächsten zwanzig Minuten zieht eine Karawane von Models mit Grissini-Beinen und den Mienen von betäubten Kamelen an uns vorbei, angeführt von einer mürrischen Tamy Glauser. Sie tragen überdimensionierte Mäntel in Schuhkarton-Form, Kleider mit geometrisch-knalligen und afrikanischen Farbmustern oder einfach nur Unterwäsche. Eine Farbkombination erinnert uns an die eigene Snowboardjacke von 1997, anderes an Vetements, die Normcore-Eminenz in der Binz.

Teenager in BHs und Strapsen zu mustern fühlt sich pervers an, abgesehen davon unterhalten wir uns gut. Nach der Show ist man zufrieden mit dem Gezeigten und gratuliert den Jungdesignern zu ihren Entwürfen. Der grossen Frage aber wird ausgewichen: Wer in Zürich wird die Kleider kaufen und tragen? Die Älteren könnten, aber trauen sich nicht, die Jüngeren würden, aber können nicht – und die Fashion Editors der Schweizer Magazine sind zu wenig mutig, um es einfach zu tun. Am Ende des Abends hat jeder geklatscht, aber keiner gekauft. Die Modeuniform von morgen bleibt dieselbe wie die von heute und die von gestern: Schwarz, Weiss, Beige.

MODE SUISSE
Sélection Mode Suisse Chez En Soie noch bis am 10. Februar

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