VIVA LA GRISCHA

081 heter gsait

Alle wollen, dass wir über sie schreiben. Schwach werden wir nur bei den Bündnern. Wir können nicht anders. Sobald wir den krachenden Dialekt mit dem süffisanten Unterton hören, hängt sich unsere Vernunft auf. Wir hören auf zu reden und weisen alle anderen an, es auch zu tun. Würden wir ein Callcenter besitzen, hätte jede Leitung die Graubünden-Vorwahl. Unbekannte Nummern, die mit 081 anfangen, sind die einzigen, denen wir antworten. Es könnte ja der Skilehrer sein.

Wir haben uns schon oft gefragt, wie jemand nur wegen seines Autokennzeichens sympathisch sein kann. Wahrscheinlich liegt es an der Tiefgründigkeit. Am trockenen Humor. An der kargen Eloquenz. An der Tatsache, dass die meisten von ihnen in einem Skigebiet aufgewachsen sind. Oft sehen sie auch noch unverschämt gut aus. Spätestens, wenn sie anfangen zu reden.

Unsere Bündner Freunde behaupten gerne, es sei eine einseitige Anziehung. Das kann nicht wahr sein. Schliesslich gibt es in keiner Stadt ausserhalb der Heimat mehr von ihnen als bei uns. Das liegt auch daran, dass es ihnen hier so gut geht wie nirgends sonst. Ihr Erfolg macht nicht mal bei der Wohnungssuche halt. Ein befreundetes Paar aus der Surselva setzte bei den Bewerbungen konsequent auf ein Telefonat mit dem Vermieter. Jetzt wohnen sie am Idaplatz.

Leider bleiben wir in ihren Augen für immer jene, die unter der Nebelgrenze leben und auf die Piste gehen, statt auf der Loipe zu stehen. Und das, obwohl sie selbst dem Festen überhaupt nicht abgeneigt sind. Jedes Jahr organisiert der Bündnerclub eine Feier am Hönggerberg, zu der sie von überall her anreisen. Wir waren noch nie eingeladen. Es gibt auch sonst wenig Überschneidungspunkte: Die Kinder schicken sie in die rätoromanische Tagesstätte. Sie hören Musik, die keiner sonst versteht. Bier trinken sie auch nur selbstgebrautes. Und wenn sie sich in der Liebe festlegen, finden sie diese fast immer ein Dorf weiter. Davor brechen sie mehr Herzen, als sie Capuns gegessen haben. Übel kann ihnen das keiner nehmen. Denn sie sind wie ihre Nusstorten: Trocken im Anlauf, süss im Abgang. Ohne Verfallsdatum.

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