REPUBLIK

The Revolution Won't Be Advertised

Es gibt kaum eine Zunft, die derart eitel und mit ihrer Gesamtsituation derart frustriert ist, wie die Journalisten. Die Macher der Republik wussten das für sich zu nutzen. Sie porträtierten sich als Retter aus der Medienmisere, und noch viel mehr: Das grösste Schweizer Crowdfunding musste her, der Journalismus in die werbefreie Ära getragen und die Demokratie gerettet werden.

Die Anfänge der Publikation hatten die Euphorie eines 18-Jährigen und die Propagandataktik eines Rechtsaussenpolitikers. Newsletter mit «Ladies und Gentlemen»-Anreden überschwappten die Inboxen und verkündeten – wie ein Zirkusdirektor – eine neue Ära. Journalisten polierten ihre Vita auf und jeder, der sich von der Euphorie anstecken liess, zahlte 240 Franken für einen Job als Verleger. Ruhiger wurde es erst mit der Publikation des ersten Artikels. Die Newsletter kommen immer noch.

Werbefreier Journalismus ist die Existenzberechtigung der Republik und laut den Gründern die Lösung aller Medienprobleme. Wenn diese Sicht etwas einfach scheint, dann, weil sie es ist. Es mag Zeitungen geben, die ihre Berichterstattung den Werbekunden anpassen. Aber die Macht der Vierten Gewalt misst sich nicht an ihrer Durchschnittsqualität, sondern an ihren besten Vertretern: Die NZZ hat eine solide Berichterstattung, der New Yorker oder der Economist sind anspruchsvolle Magazine, die New York Times ist nach wie vor der Goldstandard – und das, obwohl ihre digitalen Einnahmen zu 40 Prozent aus Werbegeldern stammen.

Es sind diese Titel, die sich die Republik zur Messlatte gemacht hat. Und sie muss aufpassen, nicht als ewige Zweite zu verkommen. Denn Onlinejournalismus ist zwar günstig, aber auch global: Zeit.de ist in unserem Browser genauso weit weg wie republik.ch; zum Preis eines Republik-Abos kriegen wir den vollen Digitalzugang zur New York Times. Die Redaktion der Republik wird von ihrem Sessel an der Langstrasse nie so nahe an Facebook herankommen wie jene von Wired, ihren besten investigativen Artikel zur Trump-Affäre kaufte sie beim Atlantic ein. Und wir hatten schon vor der Republik zu viel zu lesen, nicht zu wenig.

Bisher sind die Texte des Medienneulings eher konventionell als revolutionär; sie lesen sich wie die Onlineversion des Tagi-Magi – nicht nur wegen Binswanger. Mit der Waffe der unlimitierten Textlänge schiesst man sich vor allem in den eigenen Fuss: Wir kämpfen damit, irgendwas zu Ende zu lesen. Abgesehen vom Fototagebuch haben wir bisher nichts zu Zürich gesehen – und es ist schwer auszumachen, ob die Artikel gestern oder vor drei Monaten geschrieben wurden. Einige von uns haben ein Abo, aber nutzen es selten und wischen die Newsletter direkt in den Spamordner. Die anderen haben keins und sehen bisher keinen Grund, das zu ändern, zumal es nur eine kosmetische Paywall gibt.

Was uns fehlt ist Aktualität, ein stärkerer Fokus auf das Geschehen vor der eigenen Tür, und der Beweis, dass werbefreier Journalismus tatsächlich besser ist. Was die Republik aber vor allem braucht, ist ein Scoop: Eine Geschichte, die so gross ist, dass sie keiner ignorieren kann.

REPUBLIK, Sihlhallenstrasse 1, 8004 Zürich
Online auf http://republik.ch

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