LETSMUSEEUM

Die Kunst der Führung

Auf das Vorurteil, beim Grossteil seines Genres handle es sich um Mist, entgegnete Science-Fiction Autor Theodore Sturgeon: «Ninety percent of everything is crap». Der Mann hat recht. Am härtesten trifft es Gespräche über Kunst; darum besuchen wir Museen am liebsten allein. Es liegt nicht daran, dass wir so viel mehr wüssten als alle anderen. Sondern daran, dass viele so wenig wissen wie wir, und trotzdem meinen, zu jedem Bild etwas sagen zu müssen.

Kunstgespräche der anderen Art verspricht die Initiative #letsmuseeum, die auf unkonventionelle Führungen setzt. Die Guides sind keine Kunstexperten, sondern Autoren, Musiker, Fussballfans. In den USA ist das Konzept bereits weit verbreitet, in der Schweiz will eine Gruppe um Reeto von Gunten und Rea Eggli das Gleiche versuchen. Wir buchten die Tour des Redaktors Jean-Marc Nia im Kunsthaus, der von sich selber sagt, er möge keine Picassos, dafür Frauen, die Sachen richtig zu Ende bringen.

Es ist ein regnerischer Sonntag, als sich Jean-Marc per SMS mit dem Treffpunkt meldet. Er schreibt, er werde ein Thrasher Cap tragen, aber keine Sorge, das sei nicht alles, eine Tasche habe er auch noch dabei. Als wir ihm zwei Stunden später die Hand schütteln, trägt er Jeans und Parka. Wir sind zu zehnt, alle zwischen 25 und 35 Jahre alt und ein bisschen aufgeregt. Jean-Marc händigt die Eintrittstickets aus und sagt, seine Tour sei wie Zappen beim TV, «zack zack, vill isch Seich, aber mängisch findsch au öpis Spannends.»

Wir starten draussen, vor dem Höllentor von Auguste Rodin. 37 Jahre habe der Mann daran gearbeitet, sagt Jean-Marc, «und dän häters nöd mal fertig gschafft!» Er greift in die Tasche, verteilt kleine Plastikbecher, zückt einen Flachmann mit Whisky und meint, auf diese Disziplin könne man nur anstossen. Danach geht es weiter in die Sammlung. Rasch wird klar: Diese Tour ist eine Show, gespickt mit historischen Fakten und unterhaltsamen Absurditäten, die wir uns am liebsten aufschreiben würden.

Wir stoppen vor dem Rütlischwur von Heinrich Füssli, wo Jean-Marc erklärt, dass man für die Interpretation des Falters im Bild sogar eine Tinder-Bekanntschaft reaktiviert habe, «huere peinlichi Aktion gsi und leider für nüt», um dann eloquent anzufügen, wofür das Tier tatsächlich steht. Beim Bildnis der Lucretia erfahren wir, dass die Frau mit ihrem Suizid das römische Königreich zu Fall brachte. Böse Worte findet der Fussballfan nur bei einem Portrait von Stephan Melzl, das er ausgesprochen hässlich findet, «s Einzig womer hilft isch dass es en Basler gmalt hät».

Neunzig Minuten später ist das Spektakel leider schon zu Ende, und alle sind ein bisschen traurig. Am Ausgang drückt uns Jean-Marc zum Trost ein Kambly-Biskuit in die Hand. Als unser Blick auf die angefangene Whisky-Flasche fällt, schüttelt er den Kopf und meint warnend, «ich han hüt nomal e Tour». Den Flachmann zücke er nur zum Aufwärmen – und in ganz argen Fällen am Schluss.

#LETSMUSEEUM, Touren ab 25 Franken (inkl. Museumseintritt)
Kunsthaus, Sukkulentensammlung, Museum Rietberg.

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