GAMPER

Zweite Chance

Restaurants kriegen keine zweite Chance. Es gibt schlicht zu viele Alternativen – selbst in unsere Lieblingsrestaurants schaffen wir es nicht öfter als fünf Mal im Jahr. Die zwei Dinge, die uns nach dem ersten Besuch im Gamper in Erinnerung blieben, waren ein aufdringlicher Kellner und ein Salat, der uns gefährlich stark an die Migros-Fertigversion erinnerte. Wir gingen nicht mehr hin.

Aber dann geschah etwas: Ein guter Freund hörte nicht mehr auf, vom Gamper zu reden. Er ass mehrmals pro Woche im Restaurant, ging nach dem Abendessen für ein zweites Abendessen hin. Gamper hier, Gamper da, Gamper, Gamper, Oh Gamper. Es war Euphorie mit Gewicht, denn er versteht viel von Essen – so viel, dass er damit seinen Lebensunterhalt verdient. Wir mussten zurück. Wenn auch nur, um ihn ruhig zu stellen.

Das Gamper sitzt in einer dunklen, einsamen Ecke des Kreis 4. Die nackten Holztische, schwarz-weiss gekleideten Kellner und dunklen Täfelungen erinnern an eine Quartierbeiz. Aber das hier wird nicht einfach ein Abend mit Bratwurst mit Rösti. Hier kocht einer, der zuvor in der Küche des drittbesten Restaurants der Welt stand.

Neben unserem Freund sind zwei Mitglieder der lokalen Slow Food-Bewegung in der Runde, zwei, die für ein Glas Wein kommen und eine Spontane, die sich zu einem Stundenei überreden liess. Das Stundenei ist das Leitmotiv des Gampers und das einzige Gericht, das im ständig wechselnden Menü immer wieder auftaucht. Wir bestellen das Menü, wie alle hier. Wir kriegen Salat mit roten Zwiebeln und Felchenfilet, ein Stundenei mit Boskoop-Mus und Rotkraut, Tarte Tatin mit Kartoffeln, Topinambur und Trüffel, Lamm und Kürbis. Zum Dessert gibt es Elsässer Kuchen und Quittenmus.

Im Gamper wird saisonal und regional gekocht; das klingt trivial und langweilig, ist aber genau das Gegenteil. Zu viele Köche melken Yaks im Himalaya, pflücken Beeren am Amazonas und haben Gerichte mit unaussprechbaren Namen auf der Karte. Dabei zeigen das Gamper oder auch eine Wirtschaft im Franz: Ein gutes Schweizer Restaurant muss die Welt nicht in Esperanto bekochen, sondern so, wie die Welt die Schweizer sieht: Unaufdringlich, exzellent, mit Liebe zum Detail.

Um halb zwölf torkeln wir aus der Tür. Vor dem Einschlafen googeln wir, was es mit dem Namen auf sich hat. Wenn du auch neugierig bist: Das Restaurant ist nach Hans «Joan» Gamper benannt, dem Gründer des FC Zürich und des FC Barcelona; die nach ihm benannte Strasse liegt gleich um die Ecke. Wir werden wiederkommen. Vielleicht sogar mehr als fünf Mal im Jahr.

GAMPER, Nietengasse 1, 8004 Zürich
Mi bis Sa 18 – 24; Menü für 72 Franken

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